Jedes Land hat seine Geschichten. Auch Vorarlberg
kennt viele Sagen und Legenden, die Zeugnis geben von der Denkart der
Menschen, ihren Sorgen und Ängsten und ihren Versuchen, Unerklärliches
zu erklären.
Buch-Tipp


Vor Jahr und Tag:
101 Geschichten aus Vorarlberg
101 Sagen und Legenden aus allen Regionen Vorarlbergs von der Zeit der
Römer bis heute. Mehr dazu auf der Buch-Seite.
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Von Venedigermännchen und Geistern
Bis in die "graue Vorzeit" reicht die
Überlieferung von Ereignissen, die sich in Vorarlberg zugetragen haben - oder
zugetragen haben sollen. Sagen und Legenden reichen sogar in eine Zeit
zurück, als die Menschen noch an Wotan und Donar glaubten. So verwundert
es nicht, dass zu den ältesten Geschichten auch jene gehören, die von
der Christianisierung Vorarlbergs berichten.
Die Legende von Kolumban und
Gallus erzählt beispielsweise von zwei irischen Mönchen, die um das Jahr 600 herum in die
Gegend von Bregenz gekommen sind. Dabei schreckten sie bei ihren Evangelisierungsbemühungen auch vor drastischen Maßnahmen nicht zurück: Kolumban soll sich einmal bei einer heidnischen Opferversammlung eingefunden
und dort einen Kessel voller Gerstensaft, um den sich die Heiden zur
Verehrung ihrer Götter versammelt hatten, allein durch Anhauchen zum
Zerspringen gebracht haben - was die Alemannen sichtlich beeindruckt haben
soll. Gallus zertrümmerte sogar Götzenbilder und warf sie in den See. Da
den beiden aber letztendlich kein Erfolg beschieden war, verließen sie das
Land: Kolumban ging nach Italien, Gallus über den Rhein, wo schließlich das Kloster St.
Gallen entstand.
Der Mönch Eusebius
Eine Legende aus dem Oberland berichtet von einem anderen irischen Mönch
namens Eusebius, den in seinem Bemühen, den Leuten den Glauben zu weisen,
ein unseliges Schicksal ereilte. Das Land war zwar schon zum Christentum
bekehrt worden, dennoch nahmen es nicht immer alle mit der Frömmigkeit so
genau.
Eusebius führte in Viktorsberg ein Einsiedlerleben. Manchmal ging er ins
Tal, um zu predigen. Einmal sei er an einem Samstag Abend nach Brederis
gegangen. Als er sah, dass die Bauern noch das Gras mähten, obwohl die
Glocken schon den Feiertag eingeläutet hatten, wies er sie streng zurecht
und betete danach vor einem nahegelegenen Bildstöcklein der heiligen
Mutter Anna kniend für die Sünder.
Einer der Bauern war aber so erzürnt, dass er seine Sense packte und dem
frommen Mann den Kopf abschlug. Doch die Strafe ließ nicht auf sich
warten: Der Mörder versank im Boden, Eusebius aber nahm seinen Kopf und
trat den Weg zurück nach Viktorsberg an. Unterwegs brach er jedoch
zusammen - ein Bildstöcklein auf halber Höhe des Berges erinnert an
diesen Ort. Wo das Verbrechen selbst geschah, wurde später eine Kirche zu
Ehren der heiligen Anna gebaut. Sie steht auch heute noch.
Der Herrgott auf der Schesaplana
Sogar der Herr selbst soll der Sage zufolge ab und zu auf Erden gewandelt
sein - auch in Vorarlberg. Eines Tages soll er in den Höhen des
Rätikons auf eine Alpe am Fuße der Schesaplana gekommen sein, wo er mit
einem Kübel von Hütte zu Hütte ging und um Butterschmalz bettelte.
Doch die Leute waren hartherzig und gaben nichts, eine Sennin verspottete
den Bettler und füllte den Kübel sogar mit Kuhmist an. Erst in der letzten
Hütte erbarmten sich zwei Alte des Armen, die alte Sennin wusch den
Kübel aus und füllte ihn mit Butterschmalz an. Nachdem er auch zu essen
bekommen hatte, riet der Bettler den alten Leuten, ins Tal zu ziehen, denn
weil die anderen Menschen hier so hartherzig seien, würde Gott sie
strafen. So kam es denn auch: Die Alten zogen, von den anderen verhöhnt,
hinunter, und als sie unten angekommen waren, hörte man von oben wildes
Getöse. Die ehemals fruchtbare grüne Alpe war über Nacht eingeschneit
und sollte es für immer bleiben ...
Der Zimmermann und der Teufel
Aber nicht nur der Herr, sondern auch sein Widersacher ging umher. So
trieb er auch mit einem armen Zimmermann im Bregenzerwald sein Unwesen.
Als eines Tages ein Hochwasser die Dorfbrücke weggerissen hatte, bot der Bürgermeister
dem Zimmermann 100 Taler an, wenn er die Brücke in drei Tagen wieder
aufbauen würde. Als er spät in der Nacht über seinen Berechnungen
verzweifelte, weil es wohl nicht möglich sein würde, diesen Plan
durchzuführen, klopfte es an der Tür und ein Männlein trat ein. Es
behauptete, es könne dem Zimmermann helfen, als Lohn verlangte es aber
die erste Seele, die aus seinem Haus über die Brücke gehe. Dem
Zimmermann graute es, da er erkannt hatte, wer ihm da Hilfe anbot.
Dennoch willigte er ein, weil er eine List im Kopf hatte.
Also baute der Teufel in drei Tagen die Brücke und freute sich auf dieser
wartend, als nach dem dritten Tag der Zimmermann vor die Tür trat. Dieser
aber trieb eine Ziege vor sich her und jagte sie als erstes Lebewesen
über die Brücke. Um seinen erwarteten Lohn geprellt, wollte der Teufel das Tier
in seiner Wut zerreißen, erwischte aber nur den Schwanz. Deshalb haben
die Ziegen übrigens so kurze Schwänze. Der Zimmermann erhielt seine 100 Taler.
Teuflische Bewirtung
Ein anderes Mal lag der Teufel im Brandnertal auf der Lauer. Ein armer
alter Bauer war zu Handelszwecken auf dem Weg von Brand nach Bludenz. Als
es schon dunkel geworden war, sah er in der Ferne helles Licht und vernahm
Musik. Er ging hin und erkannte ein Wirtshaus. Der Wirt lud ihn
ein hineinzukommen, was er auch tat - gab es doch Essen und Getränke
zuhauf, und das alles umsonst!
Die Gäste warfen mit dem Geld nur so um sich, da trat auch schon der Wirt
an den
Bauern heran und meinte, so könne er es in Zukunft auch haben. Er
müsse sich nur mit dem Messer in den Finger schneiden und mit der
Krähenfeder und dem Blut seinen Namen auf einen Zettel schreiben, den ihm
der teuflische Wirt hinhielt. Obwohl sich der Bauer nun bewusst war, dass
der Leibhaftige vor ihm stand, willigte er ob seiner Armut ein. Da er aber
gewohnt war, alles "in Gottes Namen" zu tun,
wollte er auch hier "in Gottes Namen" unterschreiben. Doch
dazu kam er nicht mehr, denn eine Unterschrift, die in Gottes Namen
gegeben worden war, wollte der Teufel nicht: Das Haus brach in sich zusammen, die Mädchen
verwandelten sich in Hexen, die Männer in Teufel, und nach kurzem war das
Treiben vorbei und von alldem nichts mehr zu sehen.
Ein neidischer Geist ohne Ruhe
Doch es muss nicht immer der Teufel sein: Im hinteren Bregenzerwald lebte
einmal ein Bauer, der so neidisch war, dass er seinen Nachbarn nichts
vergönnte und eines Tages beschloss, einem anderen Bauern ein Leid
zuzufügen. So legte er auf den Weg, den die Kühe des Nachbarn zur
Tränke immer nahmen, nasse Tannenrinden. Prompt rutschte ein Tier darauf
aus und stürzte in die Tiefe. Schadenfroh wollte der Neider hinabsteigen,
um nachzusehen, ob die Kuh auch wirklich tot sei. Dabei rutschte er aber
selbst auf einer Rinde aus und stürzte in den Tod. Seither muss er als
Geist jede Nacht die Kuh auf seine Schultern nehmen, sie vom Tal auf die
Kanisfluh tragen und sie dann wieder nach unten rollen. Nach jedem
Aufstieg durfte er der Kuh ein Haar ausreißen. Sobald er ihr das letzte
ausreißen würde, sollte er erlöst sein. - Die Vorarlberger Variante der
Sisyphos-Sage.
Das Venedigermännlein und die drei Schwestern
Es muss schon lange her sein, als man im Gebirge die Venedigermännlein
sah, zwergen- ähnliche und geheimnisumwitterte Geschöpfe, die goldene
Steine und Goldwasser suchten und an unbekannten Orten versteckten. Ein
solches Venedigermännlein trieb sich einmal hoch über dem Saminatal
herum. Es war an einem Feiertag, als drei Mädchen aus Frastanz in die
Gegend kamen, um Beeren zu pflücken. Plötzlich standen sie dem
Venedigermännlein gegenüber, das sie fragte, was sie hier täten. Die
verblüfften Mädchen meinten, sie täten nichts. Wütend verwünschte sie
das Männlein: Wenn sie hier schon nichts täten, so sollten sie auch
nichts anderes sein als drei Felsen, unter denen er sein Goldwasser
verstecken könne. So stehen sie noch immer da - und haben das Goldwasser
bis heute nicht preisgegeben.
Die Schweden und der Bodensee
Einen realeren Hintergrund hat eine Erzählung aus der Zeit, als die
Schweden gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges Bregenz und andere
Gemeinden heimsuchten. Jeden Monat kamen sie mit Schiffen über den See,
um von der ohnehin schon gepeinigten Bevölkerung die Brandschatzung -
jene Summe Geld, für die die Schweden davon absahen, die Stadt in Brand
zu stecken - einzufordern.
Eines Tages kamen sie wieder, und obwohl sie ihre Kanonen abfeuerten,
ließen sich die Bregenzer nicht auf den See hinauslocken. Sie hatten
nämlich gesehen, dass Wolken heraufzogen. Und anders als die Schweden,
die das Wetter in dieser Gegend nicht so gut kannten, wussten sie, was das
bedeutete. Tatsächlich zog ein schlimmes Gewitter herauf und setzte den
Schweden arg zu. Nur mit Mühe konnten sie ihren Heimathafen wieder
erreichen, ein Schiff aber blieb verschollen - das Küchenschiff, das die
schwedischen Soldaten ansonsten mit Essen versorgt hatte. Es war
in dem Sturm zerstört worden, und seine Überreste waren am Bregenzer
Ufer angeschwemmt worden. So konnten die Bregenzer nicht nur lange nicht
gesehene Köstlichkeiten, sondern auch wertvolle Gegenstände
herausfischen. Die Schweden fuhren von da an nicht mehr über den
See.
Der Klushund
Als die Schweden unser Land bedrohten, verteidigten es seine Bewohner an der
Bregenzer Klause ("Klus"), wo Bodensee und Pfänder aufeinander
treffen und nur einen engen Durchlass bieten. Ein
Verräter führte die Schweden aber auf Umwegen über den Pfänder, womit die
Bregenzer natürlich nicht gerechnet hatten. Als Strafe für seinen Verrat
ist er der Sage nach in einen schwarzen Hund mit zotteligem Fell und
feurigen Augen verwandelt worden. Als solcher muss er in der Nacht umherirren und
ist für manchen, der zu später Stunde noch auf Wegen ist, Grund zur
Furcht.
Ein Lauteracher Schuster etwa, der noch damit geprahlt hatte, er fürchte
sich nicht vor dem Klushund, wurde eines Besseren belehrt. Als er einmal im Finsteren unterwegs war, sprang ihn, wie
nicht anders zu erwarten, bei der Klause von hinten ein Tier
an. Es war der Klushund! Nur mit größter Anstrengung konnte er sich
losreißen und nach Hause eilen. Doch das half ihm nicht: Sein Leben
währte nur noch wenige Tage.
In Brederis soll es sich begeben haben, dass ein Bauer wegen des schönen
Wetters noch bis in den späten Abend seine Wiese mähte. Unvermittelt
stand in der Dämmerung der Klushund vor ihm und war nur allzu
bedrohlich. Angsterfüllt ergriff der Bauer die Flucht und rettete sich,
so schnell er konnte, in ein Gasthaus nach Rankweil, wo er zuerst einen
Wein bestellen musste und sich erst nach und nach wieder beruhigen konnte.
Auch viele andere hat der Klushund noch in Angst und Schrecken versetzt.
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